Online-Yogaunterricht – eine Umfrage
Zahlreiche Yogalehrende versuchten nach dem Lockdown mit online-Angeboten Kurse weiterzuführen oder entwickelten spezielle videotaugliche Formate. Alexandra Eichenauer-Knoll versuchte sich auch darin und hatte daher genügend Motivation, eine kleine Umfrage unter Kolleginnen zu starten. Wir danken Erika Erber/yoga7, Maria Sintschnig/City Yoga, Elisabeth Gabriel, Birgit Heiss/Bowen-Yoga, Veronika Hlawatsch und Christine Häfele für ihre ausführlichen Antworten. Wir können alle aus den Erfahrungen solcher Pionierinnen lernen.
Meine erste Frage galt dem Medium. Die meisten Befragten setzten auf Zoom, weil es bei den Leuten am beliebtesten ist. Erika Erber probierte daneben noch Skype und Jitsi Meet. Das City Yoga als großes Yogastudio mit vielen Lehrenden überließ es den einzelnen Vortragenden und bietet daher Facebook, Instagram, Youtube und Zoom-Meetings an. Veronika Hlawatsch hat in der Anfangsphase sogar fünf Systeme getestet: „Das war extrem stressbeladen und hat mich die ersten zwei Wochen beschäftigt. Zoom ist das stabilste System (Video und Audio) und einfach und intuitiv zu bedienen, vor allem für die TeilnehmerInnen.“ Für Christine Häfele ist die Möglichkeit, Zoomstunden aufzuzeichnen und diese nachher den TN (= Teilnehmer/innen) zur Verfügung zu stellen, ein wichtiges Argument. Weitergedacht: So könnten theoretisch auch TN, die verhindert gewesen sind, die Stunden quasi nachholen.
Zoom war oder ist aufgrund von Sicherheitsbedenken umstritten. War das ein Thema, erkundigte ich mich. Ich selbst bin ja aufgrund von Teilnehmerbedenken auf gotomeeting umgestiegen. Und damit auch zufrieden. Aus den Antworten lese ich – wenn überhaupt – nur sehr verhaltene Bedenken heraus. Man vertraue darauf, dass Zoom auch laufend nachgebessert werde. Und außerdem, so Maria Sintschnig: „Die SchülerInnen sind ja zu nichts verpflichtet und jede/r tut, wie er/sie will.“ Erika Erber sieht die Sache dann doch etwas kritischer: „Aber sicher gab und gibt es diese Sicherheitsbedenken! Manche InteressentInnen machen aus diesem Grund auch gar nicht mit. Ich verfolge die Diskussion bezüglich der Sicherheit im Netz aufmerksam: Zoom hat nachgerüstet und etliche Mängel behoben, aber auch andere Anbieter haben diverse Probleme (die aber nur selten so offen diskutiert werden …). Ich selbst habe auf allen meinen Geräten den Virenschutz aktualisiert bzw. verstärkt.“
Meine zweite Frage galt der Anzahl der Teilnehmer/innen. Ich selber hatte nur fünf TN auf zwei Kurse verteilt. Wir unterhielten uns und hörten uns gegenseitig, wenn auch abgehackt. Dass das allerdings eher unüblich ist, merkte ich bei der Auswertung der Antworten. Das Mikro und – im Falle zahlreicher TN – auch die eigene Kamera wird von den TN meist abgeschaltet. Die TN-Zahlen gehen von 4, 10, 21, 30 bis zu 40 TN! Respekt! Dazu noch zwei ausführlichere Antworten:
Elisabeth Gabriel: „Ich habe kein Limit vergeben, ich war über das anfängliche Interesse, da waren es beinahe 30 potentielle YogInis erschreckt, habe aber beschlossen zu vertrauen. Und es kam so, wie in meinem „normalen“ Unterricht, zu kleinen Gruppen um die fünf herum, da geht es gut, Bedürfnisse abzufragen und aufzunehmen, was ich immer im Unterricht mache.“
Christine Häfele: „Ich habe allen meinen YogaschülerInnen eine Nachricht geschrieben, sie über mein Zoomangebot informiert und gefragt, ob sie in einer WhatsApp Gruppe an die Stunden erinnert werden wollen. 60 Personen sind in dieser Gruppe, zwischen 15 und 30 waren dann in der Praxis live dabei.“
Mein nächstes Interesse galt der Korrektur. Ich sehe meine TN noch, aber bei 40 Leuten – wie geht das?
Erika Erber: „Ich sehe nicht viel – Korrigieren wie im Kurs ist nicht möglich. Viele haben die Kamera auch abgeschaltet. Da mein Ansatz aber sowieso „Vorbeugen statt Korrigieren“ ist, versuche ich, die Übungen so genau zu erklären, dass sie selbst wissen, worauf es ankommt. Das ist natürlich bei AnfängerInnen nicht möglich.“
Christine Häfele: „Ich sehe nur drei Teilnehmerinnen, an denen ich mich orientiere. Es haben auch einige die Kamera ausgeschaltet. Ich übe deutlich mehr mit, als im direkten Unterricht. Ich habe ganz klar erklärt, dass in diesem Medium deutlich mehr Eigenverantwortung notwendig ist. Die Auswahl der Praxis ist als Angebot gedacht. Jeder überprüft für sich selber, was möglich ist. Ich habe versucht, für das Hauptasana zwei bis drei Variationen vorzuschlagen… und jede Person hätte dann die für sie passende üben sollen. Das scheint gut funktioniert zu haben. Eine bewusste Pause zu nehmen hat besser funktioniert, als im Gruppenraum…. Niemand muss sich vergleichen.“
Elisabeth Gabriel: „Es ist schwierig zu sehen, was die TN machen, manche nutzen das Handy, oder haben das Gerät so weit oben, dass ich nur Fußspitzen, Knie o.ä. sehen kann 😉 Auch live korrigiere ich nur mit Worten, das geht schon, ich sehe halt nicht viel und nur kleine Ausschnitte.“
Es geht aber auch anders. Veronika Hlawatsch arbeitet mit kleinen Gruppen und legt auf Korrektur wert. „Ich schaue, was die machen, aber nicht so viel naturgemäß wie im Studio. Korrektur ist also möglich, wenn auch teilweise sehr beschränkt, weil die Kameras der TN manchmal die TN nicht ganz zeigen. Im Basic-Kurs bitte ich meine TN manchmal sich zu drehen, damit ich sie z. B. seitlich sehen kann. Ich habe auch einen extra Monitor zugeschalten, um einen besseren Überblick zu haben.“ Sie scheut sich daher auch nicht, einen Anfängerkurs mit max. vier Personen mit sehr einfachen Übungen anzubieten. „Ich gebe auch immer extra Zeit für Fragen.“
Meine nächste Frage war etwas schwieriger zu beantworten. Ich fragte nach der Qualität der Verbundenheit und welche Art Praxis gut funktioniert und welche nicht. Denn auch die Verbundenheit mit den Schüler/innen in irgendeiner Form zu halten, war ein wichtiges Anliegen jener Lehrenden, die auf online umstiegen.
Maria Sintschnig macht es kurz: „Gut funktioniert: Motivation, Mobilisierung, Aktivierung, Kräftigung, Dehnung, Humor, Zuversicht vermitteln, auch kurze Meditation, Shavasana.“
Birgit Heiss meinte nachdenklich: „Tönen ist irgendwie „einsam“, weil ja alle das Mikro ausgeschaltet haben. Ich mache nur Asanas, die absolut unbedenklich auch bei falscher Ausführung sind.“
Erika Erber: „Es gibt Vor- und Nachteile, die TN selbst erleben es unterschiedlich. Bei denen, die dabei geblieben sind, überwiegt offensichtlich das Positive. Wir haben sogar einige Stunden Lach-Yoga gehabt – war auch lustig! Ich habe neue Konzepte entwickelt und die Kurse umgestellt. „Spiegelverkehrt“ zu unterrichten ist eine echte Herausforderung, wenn ich die TN kaum sehe. In mancher Hinsicht finde ich online Unterrichten auch anstrengender als normale Kurse.“
Christine Häfele: „Ich gehe mit einem Konzept in jede Stunde. Dieses Konzept ziehe ich online einfach durch. In der Gruppe gibt mir die Begegnung mit den Menschen, wenn ich sie begrüße und ein paar Worte wechsele, schon Inspiration, die den Ablauf der Stunde verändern kann. Das Beobachten der TeilnehmerInnen lässt mich Übungen einfügen oder Anpassungen durchführen. All das fällt weg und es war am Beginn sehr ungewöhnlich in dieser Form Alleinunterhalter zu sein. Asanapraxis in einfacher Form funktioniert gut. Bekannte Asanas in Form von Vinyasa zu üben hat einen großen Teil der Praxis ausgemacht. Ein Schwerpunkt war, die Verbindung von Atmung und Bewegung immer mehr zu verfeinern. Pranayama funktioniert für die Geübteren halt einfach besser. Philosophische Aspekte lassen sich gut vermitteln und einfügen. Rezitation habe ich keine gemacht. Entspannung geht gut und auch Hinführen in Stille und Meditation hat erstaunlich gut geklappt. Auch von den TeilnehmerInnen kam da sehr positive Rückmeldung.“
Elisabeth Gabriel: „Ankommen bei sich im Atem und im Fluss – das gelingt, den Rückmeldungen zufolge gut. Und die Energie halten, geht auch erstaunlich gut. Komplexe Pranayamas unterrichte ich eh nie und der Wechselatem oder der ujjayi das geht schon. Neues langsam ansagen und vorzeigen geht auch gut.“
Abschließend noch eine interessante Antwort von Veronika Hlawatsch: „Dass die Menschen in ihrem eigenen Raum sind, hat auch eine gewisse Qualität des Getragenseins und Sich-sicher-fühlens.“
Der große Vorteil des Onlineunterrichts: Man kann auch weit entfernte Teilnehmer/innen erreichen. Aber auch ganz nahestehende Menschen, wie Ehepartner und Familienmitglieder, sind dazugekommen.
Maria Sintschnig: „Unsere persönlichen FreundInnen, die in anderen Bundesländern, Städten und Ländern wohnen, sind jetzt mit uns online und glücklich verbunden beim Unterricht.“
Erika Erber: „Das ist eine sehr positive Erfahrung, dass jetzt Personen mitmachen, die sonst nur Seminare besuchen können. So nehmen Personen nicht nur aus Wien, sondern auch aus Kärnten, Nieder- und Oberösterreich, sogar aus Berlin teil. Ein netter Nebenaspekt ist, dass in einigen Fällen die Lebenspartner auch angefangen haben, mit zu üben. Das muss natürlich in eigener Verantwortung geschehen, funktioniert aber auch ganz gut.“
Elisabeth Gabriel: „Meine TN haben z.T. ihre Freundinnen informiert, die z.T. weit weg wohnen, so erreiche ich aus NÖ gut die Wienerinnen, und sogar die Steiermark.“
Christine Häfele: „Es haben einige Männer mit geübt, die niemals zum Yogaunterricht gehen würden. 😉 Auch ganze Familien waren mit dabei.“
Und manchmal reden auch die Kleinkinder mit. Veronika Hlawatsch: „Meine erste Stunde habe ich nicht „stummgeschalten“ und der kleine Sohn eines TN hat sich sehr munter und redselig am Unterricht beteiligt.“
Etwas technische Versiertheit ist schon von Nöten, wenn man online unterrichten möchte. Und man braucht starke Nerven, das legen zumindest die folgenden zwei Aussagen nahe:
Erika Erber: „Die Technik erfordert einiges an Zeit und Energie. Es gibt immer wieder Überraschungen, sodass Flexibilität gefordert ist. Ich bin froh, dass ich auf verschiedenen Geräten arbeiten kann (Smartphone, Tablet, Laptop und PC). Es kam vor, dass ich während eines Meetings auf ein anderes Gerät wechseln musste.“
Christine Häfele: „Ich habe zweimal sicher fünf Minuten weitergemacht, bis ich draufgekommen bin, dass ich rausgefallen bin… und mein Mann von Teilnehmer/innen angerufen wurde, um mich darauf hinzuweisen.“
Könnte man es sich nicht einfacher machen und ein Youtube-Video anbieten, fragte ich. Oder den TN gute You Tube-Links als Empfehlungen zur Überbrückung senden? Nein, das ist nicht dasselbe, so der einhellige Tenor. Die Gründe, warum live-Videos bevorzugt werden bzw. jetzt so boomen, sind verschieden. Motivation, Regelmäßigkeit, Gemeinschaft in Echtzeit und die ganz spezielle Praxis des Lehrenden werden genannt.
Erika Erber: „Ich habe ursprünglich den TN vorgeschlagen, dass ich nur Einheiten für Meditation und Pranayama anleite, und sie Asana-Stunden auf Youtube machen sollen. Das hat aber vielen gar nicht gefallen, weil sie meinen Stil gewohnt sind, und dadurch die Wirkung auch viel besser ist. Einige haben mir auch geschrieben, dass es jetzt für sie ein besonderer Luxus ist, dass ich sie mehrmals in der Woche „zuhause“ unterrichte. Ich weise in (fast) jeder Stunde darauf hin, dass sie mir schreiben oder anrufen können, wenn sie Fragen haben (ganz besonders zu Pranayama und Meditation), und das machen auch einige. Auf diese Weise habe ich doch mehr Kontakt, als das über Youtube möglich wäre. Da mir das auch besonders wichtig ist, spricht mich Youtube nicht so an, wo ich nie weiß, wer und was dann die Leute damit machen. Außerdem ist meine Art des eher ruhigen „Achtsamkeitsyoga“ nicht so Youtube-tauglich. Ich habe Termine mit Schwerpunkt Asana, speziell Pranayama (für sehr Geübte), speziell Meditation, auch einen Einführungskurs für Meditation (6x), sowie Vorträge über Meditation und Achtsamkeit. Ich hatte das selbst gar nicht vor, sondern habe meine TN gefragt, was sie interessieren würde, und so hat sich das ergeben. Die Meetings sind zwischen 30 und 45 Minuten.“
Christine Häfele: „Ich denke, es hat einen Effekt gemeinsam zu üben. Es entsteht ein stabiler, gemeinsamer Raum – auch wenn man örtlich weit voneinander entfernt ist. Einige waren wirklich lange alleine zu Hause. Für diese Leute war es, glaube ich, sehr wertvoll, sich einmal am Tag als Teil einer Gruppe zu sehen.“
Maria Sintschnig: „Unsere SchülerInnen wollten ihre vertrauten LehrerInnen haben, das hat die Umfrage ergeben und es motiviert sie, dass sie wissen z.B. heute um 18 Uhr gibt es live Yoga mit ihrer Lieblingslehrerin.“
Birgit Heiss: „Ich habe viele Yogastunden als Videos versandt – auch ok für Corona-Zeiten. Die Firma wünschte sich von mir aber die Online-Stunden, weil manche dann motivierter sind, Yoga zu machen.“
Elisabeth Gabriel: „Dieser Unterricht ist schon eine Form des Zusammenseins, man sieht sich, wenn man will, hört sich kurz, grüßt sich, teilt Bedürfnisse, das ist schon viel interaktiver und kann mit Youtube-Videos nicht verglichen werden. Bei mir fließen immer die Wünsche und Bedürfnisse meiner Teilnehmerinnen in die Stunde mit ein und machen das Bild rund.“
Christine Häfele: „Ich habe die ersten fünf Coronawochen täglich eine Einheit gemacht – mit dem Erfolg, dass viele Leute zu einer regelmäßigen Praxis gefunden haben.“
Auch Veronika Hlawatsch ist die Interaktion wichtig, das Begrüßen und Verabschieden. Und sie bringt noch einen anderen Aspekt ins Spiel, der unschlagbar ist im Vergleich zu einem Youtube-Video. Ein live-Erlebnis ist unwiederholbar. (Anmerkung der Autorin: wenn man es nicht aufzeichnet…)
Abschließend noch eine Frage an die geduldigen Kolleginnen. Möchtest Du mit Videomeetings auch nach Corona weitermachen bzw. glaubst Du, dass dieses Angebot weiter gefragt sein wird?
Maria Sintschnig: „Ja, wir machen ein paar Einheiten online live weiter.“
Birgit Heiss: „Ich finde es für Corona-Zeiten eine gute Lösung, ansonsten fehlt mir das direkte Feedback und die Möglichkeit zu reagieren. Ich werde wieder auf live umstellen ;).“
Erika Erber: „Aufgrund der bisherigen guten Erfahrungen überlege ich mir noch, ob ich ab Herbst ev. auch kostenpflichtige Online-Kurs anbieten soll.“
Christine Häfele: „Ich könnte mir vorstellen, zusätzlich eine Zoomstunde alle zwei Wochen anzubieten (für alle meine Yogaschülerinnen), um Inhalte wiederholen oder nachholen zu können. Wir werden sehen, mit welchen Regelungen wir uns im Herbst auseinandersetzen müssen und wieviel Kreativität erforderlich ist. Ich hätte mir vor drei Monaten überhaupt nicht vorstellen können, mich vor irgendeine Kamera zu stellen und irgendetwas zu vermitteln. Ich denke, diese Live Variante lässt Raum für Unvollkommenheit. … da muss nicht alles perfekt sein.“
Veronika Hlawatsch: „Eine Abendmeditation kann ich mir schon vorstellen und auch eine kleiner Vier-Personen Kurs, weil da jetzt Menschen dabei sind, die es – aus was für Gründen auch immer – nicht ins Studio schaffen.“
Die meisten überlegen also, in irgendeiner Form auch online weiter Yoga anzubieten. Ich kann das verstehen. Online-Yogaklassen eröffnen eine große Flexibilität, in zeitlicher und räumlicher Hinsicht, sowie in Bezug auf die Gruppengröße. Ich überlege mir auch weiterzumachen. Es ist seltsam. Es liegt auch ein Zauber in dieser Art von Verbundenheit über räumliche Distanzen hinweg. Und ich mag den Hund von Anna-Maria, der immer wieder mal durchs Bild läuft…
Umfrage: Alexandra Eichenauer-Knoll, Mai 2020
Nachsatz: Auf www.yoga.at wurde kurzfristig ein Button für Online-Angebote der Mitglieder eingerichtet. Es wurde uns Verschiedenes geschickt, auch Youtube-Videos, Vorträge und ein paar wenige Zoom-Angebote. Die meisten Lehrenden versuchten wohl, ihre bisherigen Kursteilnehmer/innen weiter zu begleiten und suchten nicht darüber hinaus neue Kund/innen. Dass sie trotzdem schlussendlich mehr Leute erreichten, ist ein vielleicht unerwartet erfreulicher Nebeneffekt dieses technischen Aufwands.