Angst, ein Ur-Gefühl
Wir haben eine kostenlose Hotline für unsere Mitglieder als Krisenservice eingerichtet. Helga Holczik ist, neben Dagmar Shorny und Dirk Glogau, eine der drei Ehrenamtlichen, die für ein Gespräch zur Verfügung stehen. Sie schreibt hier über ihren persönlichen und fachlichen Zugang zum Thema Existenzangst.
Angst – ein kurzer, vereinfachter Abriss über ein Ur-Gefühl
(ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
Angst gehört zu unserem Leben. Sie begleitet uns – spätestens ab der Geburt – bis zum Tod. Sie gehört zu unserer Existenz und ist eine Spiegelung unserer Abhängigkeiten und des Wissens um unsere Sterblichkeit.
Angst gehört zu unserem Leben. Das heißt aber nicht, dass wir uns ihrer immer bewusst wären. Sie kann jeden Augenblick ins Bewusstsein treten, ausgelöst durch innere oder äußere Ereignisse.
Die Rolle der Angst ist zeitlos – ihre Inhalte ändern sich.
Angst ist das am meisten untersuchte Phänomen in psychologischen Wissenschaften.
Jeder Mensch hat seine persönliche, individuelle Form der Angst. Diese unsere persönliche Angst hängt mit unseren individuellen Lebensbedingungen und unserer Geschichte, mit unseren Anlagen, mit unserer Umwelt, mit unserem sozialen und familiären Umfeld zusammen – sie hat eine Entwicklungsgeschichte, die spätestens mit unserer Geburt beginnt. Das heißt, wir haben alle unsere individuelle Angst, unsere individuellen Angstmuster und auch unsere individuellen Abwehrmechanismen gegen Angst. Abwehrmechanismen sind zum Beispiel: Vermeidung, Verleugnung, Verdrängung, Projektion, Somatisierung.
Angst hat sowohl einen schöpferischen als auch einen zerstörerischen Aspekt. Sie kann uns aktivieren, sie kann uns lähmen. Das Annehmen und letztendlich Meistern der Angst bedeutet eine Befreiung, einen Entwicklungsschritt, lässt uns ein Stück reifen. Das Ausweichen vor ihr und vor der Auseinandersetzung mit ihr lässt uns dagegen stagnieren, es hemmt uns in unserer Entwicklung und kann zerstörerisch wirken. Unreflektierte Angst macht uns manipulierbar.
Ein Literaturtipp für einen Klassiker zu dem Thema ist das Werk: „Die Grundformen der Angst“ von Fritz Riemann. Es ist auch gut verständlich für interessierte Laien.
Existenzangst
Der Begriff Existenz kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Vorhandensein, Bestehen, (menschliches) Dasein, Leben – weitestgehend im materiellen Sinn. Der Begriff leitet sich aus dem Griechischen „existemi“ ab. Das bedeutet in etwa „räumlich vorhanden sein“ Umgangssprachlich bezeichnet Existenz auch die wirtschaftliche Lebensgrundlage eines Menschen, zum Beispiel in Form eines wirtschaftlichen Betriebes.
Existenzangst wiederum wird definiert als Angst, das eigene Leben nicht zu meistern oder den Sinn des Lebens zu verfehlen, als Lebens-, Daseinsangst. Konkret auch als Angst vor der Arbeitslosigkeit, vor dem wirtschaftlichen Ruin. (Quellen Duden und Wikipedia).
Es geht bei Existenzängsten also um die Angst, dass die Gegebenheiten des Lebens – im Außen oder auch die individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten – nicht ausreichen, um zu überleben. Alle Ängste – werden sie bis zu ihrem Ursprung verfolgt – sind letztendlich die Angst vor dem Tod.
Arbeit mit Existenz-Ängsten
Ich bin ausgebildet in „personenzentrierter Psychotherapie“ – entwickelt von Carl Rogers. Diese Methode zählt zu den „humanistischen Richtungen“, neben tiefenpsychologischen, systemischen und behavioristischen Zugängen in Psychotherapie und Beratung. Die Grundlagen, auf denen der personenzentrierte Ansatz gründet ist die Annahme beziehungsweise die Überzeugung, dass jeder Mensch nicht nur das Bedürfnis, sondern auch das Potential in sich trägt, das Leben zu meistern und auch erfüllend zu leben. Als Psychotherapeutin, Coach, Beraterin unterstütze ich meine Klient*innen dabei, ihre wahren Bedürfnisse zu erkennen, (wieder) Zugang zu ihrem vollen Potential zu finden – also zum Beispiel auch verdrängte und hemmende Ängste zu identifizieren und zu überwinden – und das/ihr Leben entsprechend zu gestalten.
In meiner Arbeit gehe ich immer von der aktuellen Situation der Person im Hier und Jetzt aus.
Tauchen in einem psychotherapeutischen Prozess Existenz-Ängste auf, würde ich neben den aktuellen Bedingungen und Umständen auch die individuelle Angstgeschichte in den Focus bringen und die Person begleiten und unterstützen, diese aufzuarbeiten und hinderliche Angstmuster und Abwehrmuster aufzulösen.
Im Coaching geht es meist um rasche Lösungen zu einem abgegrenzten Thema. Im Zusammenhang mit Existenzängsten würde ich in einem ersten Schritt mit der/dem Klient*in die aktuelle Situation aus verschiedenen Perspektiven betrachten und momentan mögliche Ressourcen finden. Ein weiterer Schritt wäre, die Person anzuleiten, sich geistig zu disziplinieren und keine zukünftigen Schreckensszenarien zu phantasieren oder zu imaginieren und sich davon überfluten zu lassen. Ich denke F.F.E.A.R. – es steht für Frightening Future Events Appearing Real – kennen wir alle und ist generell häufige Quelle von Angst. In dem Zusammenhang erweist es sich als sehr hilfreich: inne halten, still werden, sich Besinnen auf den Atem und auf den jetzigen Moment, in den Körper spüren. Der daraus entstehende innere Raum ist für sich genommen schon mal wohltuende und darüber hinaus eine gute Ausgangsbasis dafür, wieder klar denken, fühlen und – wenn nötig – auch im Außen handeln zu können.
Die Grenzen sind fließend – so können, wenn es sich als hilfreich erweist, in den psychotherapeutischen Prozess auch Coaching-Elemente einfließen und vice versa.
In Zeiten, in denen mich persönlich Existenzängste plagen – von denen gab es bis jetzt genug – und ich bin, unter anderem als selbständige Einzelpersonunternehmerin, nach wie vor nicht gefeit davor, praktiziere ich besonders intensiv Meditation und tiefe yogische Atmung. Auch Asanas wie Standübungen, Shirshasana, Rückbeugen, Bhujangasana und Pashchimottanasana erweisen sich oft als hilfreich. Sie führen mich in meine Kraft, ich entwickle Vertrauen in mich und das Leben und sie wirken unterstützend beim Anhaftungen los zu lassen. Dies alles kann hilfreich sein: die nächsten Schritte und Handlungen konstruktiv und kreativ zu setzen oder auch bewusst NICHTS zu tun, ES sein zu lassen.
Zwei Zitate zum Thema:
Auf der mental/geistigen/psychischen Ebene gilt beim Umgang mit Existenz-Ängsten der auch in anderen Zusammenhängen oft praktizierte Grundsatz: „if you want to get out of it go through it“…als das gründlichste und nachhaltigste Mittel der Wahl.
Für die ganz „profane“, existentiell-materielle Ebene gab mir mal eine Supervisorin in einer sehr schwierigen Lebenssituation einen Satz mit auf den Weg, der sich auch immer wieder bewahrheitet hat für mich: „Geld kommt aus erwarteten und unerwarteten Quellen“.
Namastè, Helga Holczik
Mag.a Helga Holczik
Psychotherapie, Coaching, Supervision
Hatha-, Yin-, Hormon- und Lach-Yoga
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Tel.: 01/2145187; 069910792292
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