Die Kunst der Anpassung
Christine Häfele arbeitet als Physiotherapeutin in eigener Praxis und unterrichtet Yoga in laufenden Kursen und in Wochenseminaren. Außerdem ist sie Teil des Ausbildungsteams an den BYO anerkannten Ausbildungsschulen Yogaschule Pushpa in Wien und an der Schule für Yoga und Meditation in Graz. Außerdem ist sie Ausbildnerin im Team der Yogaschule Pushpa in Wien, einer anerkannten Yogaschule von Yoga Austria-BYO und der Europäischen Yoga Union, und an der Schule für Yoga und Meditation in Graz tätig. Ihr besonderes Interesse gilt der Integration von Yoga im Gesundheitswesen als Maßnahme der Prävention. Für Yoga Austria bietet sie heuer ein 2-teiliges Weiterbildungsseminar zum Thema „Die Kunst der Anpassung“ an. Alexandra Eichenauer-Knoll stellte ihr daher im Vorfeld ein paar Fragen.
Liebe Christine, du spannst das Thema Anpassung sehr weit – von der individuellen Motivation über psychische und körperliche Befindlichkeiten. Warum?
Christine Häfele: Wir kommen im Gruppen- und Einzelunterricht mit allen Bereichen in Berührung und sie beeinflussen sich wechselseitig, daher gilt es für mich den Menschen in dieser Weise als Gesamtheit zu betrachten. Besonders wichtig ist es für mich festzustellen, dass es beim Thema Anpassung nicht um Korrektur geht im Sinne von: „So ist es richtig und das andere ist falsch“. Es geht darum wahrzunehmen, wo die SchülerIn steht und sie nach meinen Möglichkeiten auf dem Yogaweg zu begleiten und zu unterstützen.
Zum Thema „Psyche“: Bitte gib mir eine Vorstellung, um welche Adaptionen könnte es sich da handeln, geht es um Pranayama?
Ja das kann sein. Es kann aber auch bedeuten, dass man sich zuerst gegen jede Anpassung entscheidet. Stell dir vor du kommst aus einem stressigen Arbeitsalltag, stehst unter Druck, hast einen Chef, der immer weiß, wie es geht und du bist noch unsicher, ob Yoga überhaupt etwas für dich ist….. Da geht es für mich darum, dem Menschen das Gefühl zu geben, es ist alles gut so, wie es ist. Durch den Übungsweg gibt’s einfach die Chance eigene Erfahrungen zu machen.
Der erste Workshop beschäftigt sich mit dem Rumpf und seiner Beziehung zu den Beinen. Der zweite setzt sich mit der BWS, den Armen und explizit noch mit dem Thema Stress auseinander, der ja bekanntlich besonders im Nacken sitzt. Wo kann man leichter Adaptionen erkennen bzw. umsetzen?
Diese Einteilung kommt daher, dass die TeilnehmerInnen eine Idee haben sollen, wo die Schwerpunkte des Wochenendes liegen. In Wirklichkeit ist die Trennung des Körpers in verschiedene Anteile ja nicht möglich, daher werden wir damit sehr flexibel umgehen und auf Fragen und Themen der Gruppe individuell eingehen.
Du stellst Methoden der Schulung der Körperwahrnehmung, des Zuhörens und des Betrachtens vor. Möchtest du dazu vorneweg schon etwas sagen. Aus welchen Fachgebieten stammen diese Methoden?
Oh, das ist ein persönlicher Mix aus verschiedenen Konzepten meiner Aus- und Weiterbildungen wie z. B. die Grundlagen aus der funktionellen Bewegungslehre und Anatomie, Aspekte aus der Cranio– Sacralentherapie, des Fasziendistorsionsmodells, der Achtsamkeitsschulung und natürlich die Hinweise aus dem Yogasutra.
Im Einzelunterricht ist es “leichter“ Adaptiatonen zu setzen, im Gruppenunterricht können die unterschiedlichen Anforderungen zur Zerreißprobe werden. Eine Person hat solche Knieprobleme, dass sie nichts aus dem Kniestand machen kann, die nächste fühlt sich unterfordert. Wieviel gegenseitige Rücksichtnahme der Teilnehme/rinnen untereinander kann man einfordern?
Da ist Kommunikation von besonderer Bedeutung! Je größer die Gruppe ist, umso mehr sind die KursteilnehmerInnen gefordert, gut auf sich zu achten und persönliche Grenzen einzuhalten. Dieses Maß an Selbstverantwortung sollte am Kursbeginn ganz klar erklärt werden. Ich versuche Variationen anzubieten, aus denen die SchülerInnen eine Auswahl treffen können. Das bedeutet, dass ich z.B. ein Asana in einfacher Form beginne und dann Steigerungen anbiete. So hat jeder die Möglichkeit für sich zu wählen und bei der Vorbereitung bzw. der einfacheren Form zu bleiben.
Im sogenannten “Faszienyoga“ werden Faszienzügen von den Füßen bis zum Nacken einbezogen. Wie sehr verändert dieser Trend den Yoga? Was sagst du als Physiotherapeutin dazu und auch als Yogalehrerin?
Mit jeder Bewegung und sei sie auch noch so klein kommen die Faszien mit ins Spiel. Das war schon immer so. Das Faszienmodell bietet eine wunderbare Hilfe, um den Körper besser zu verstehen und Fähigkeiten/Unfähigkeiten zu erklären bzw. zu beeinflussen. Im Yogaunterricht erweitert es die Sichtweise auf Asana und in der Physiotherapie kann ich schneller positive Behandlungserfolge verzeichnen.
Ich selbst habe neben Meditationskissen auch Klötze, Gurte und Decken in meinem Studio. Welche Hilfsmittel empfiehlst du ? Wie muss man eigentlich ausgerüstet sein, um sinnvolle Adaptionen anbieten zu können?
Das ist ganz individuell und hängt vom Unterrichtsstil des jeweiligen Lehrers ab. Eine Grundausrüstung ist sicher sinnvoll und hilfreich. In meiner Yogalaufbahn verändert sich das immer wieder, wie viele Hilfsmittel zum Einsatz kommen. Ich bin ein Fan von Anpassung mit Worten und Berührung. Aber das kann, wie gesagt, sehr unterschiedlich sein.
Ich verwende gerne die Natur als Vorbild, wenn es um das Thema Anpassung im Yogaunterricht geht. Die Blume erblüht genau dort, wo sie ideale Bedingungen vorfindet. Welche Bedingungen können wir als Yogalehrende schaffen, damit die Praxis die Schülerinnen bestmöglich unterstützt? Mit dieser Frage werden wir uns beschäftigen.