Gibt es ein Yoga-Problem?
Yoga Austria – BYO setzt sich seiner Gründung für Qualität in der Vermittlung der Yogalehre ein. Oder vielmehr – der Verband wurde genau darum gegründet: um Qualitätskriterien festzumachen. Und was liegt da näher als sich erstmal um solide Ausbildungen zu kümmern? Nun hat sich in den letzten Jahren die Yogaszene stark verändert – Yoga ist hip und jung geworden, Yoga ist Lifestyle. Das ist prinzipiell einmal zu begrüßen, schließlich ist Yoga ja die Lehre eines körperbasierten, spirituellen Weltverständnisses, und gerade in den zunehmend komplizierten und krisengebeutelten Tagen braucht es Halt und Orientierung für junge Leute bzw. die nachkommende Generation.
Es wäre also ausgesprochen verbohrt, Yoga-Kurzausbildungen einfach nur zu bejammern oder extreme Yogastile müde zu belächeln. Yoga ist ein Weg in die Vielfalt – sei´s drum!
Nun hat die Wiener Wochenzeitschrift FALTER ausführlich zu diesen Entwicklungen in Wien recherchiert wird und unter dem Titel „Das Yoga Problem“ auf ganzen drei Seiten beschrieben, welche Fehlentwicklungen aktuell diskutiert werden: extreme Positionen, Lifestyle-Kommerzialisierung, aber auch die Frage der kulturellen Aneignung und damit eine selektive Auswahl und Adaptierung fernöstlicher und wesentlich komplexerer Praktiken bishin zum Fehlen jeglicher Spiritualität genauso wie mangelhafte Vermittlung der philosophisch-ethischen Texte. Dazu ein Yoga-Publikum, das unter Zeitnot leidet.
https://www.falter.at/zeitung/20240528/modernes-yoga-zwischen-kommerz-und-kultur-ist-das-ein-problem
Katharina Brunner vom FALTER hat sicher gut recherchiert, und doch wollten wir den Artikel nicht unerwidert auf sich beruhen lassen und haben einen Leserbrief verfasst, der zwei Wochen später auch erfreulicherweise veröffentlicht wurde. Ihr könnt ihn untenstehend nachlesen. Diese zwei Aussagen wollten wir vermitteln:
1
Als Berufsverband beschäftigen wir uns sehr wohl mit der Frage, wie man Verantwortung gegenüber den Traditionen im Kontext der Diskussion über kulturelle Aneignung übernehmen kann. Darum gibt es im Herbst auch das Online-Seminar „Yoga kritisch denken“. Gerade dieser aktuelle Falter-Bericht hat uns bestätigt, wie wichtig dieses Seminar und die daraus hoffentlich entstehende Diskussion ist. Natürlich gilt es, unser kritisches Bewusstsein zu schärfen!
2
Die Vermittlung der Yoga-Philosophie auf eine zeitgemäße Art ist im Yoga-Unterricht durchaus möglich. Es ist daher nicht zielführend, Extrempole wie Yoga-Philosophie-Vorträge mit Sanskrit-Begriffen gegen Power-Yoga auszuspielen. Dazwischen gibt es doch noch ganz viel pädagogisches Entwicklungspotenzial für gut ausgebildete, bei uns vorwiegend Deutsch sprechende Yoga-Lehrende. Zeitknappheit sollte nicht das Problem sein.
Wir haben zB immer wieder Weiterbildungs-Seminare mit Eckard Wolz-Gottwald angeboten, der auf vergnügliche und sehr kreative Art Yoga-Philosophie vermittelt. In Westösterreich ist derzeit der Bhagavadgita Spezialist Eberhard Bärr ein gern gesehener Referent. Und in den von uns zertifizierten Yoga-Ausbildungen gehört es sowieso zu den Pflichtfragen in den Abschlussarbeiten, Begriffe aus dem Yoga- Sutra und der Bhagavadgita alltagstauglich erklären zu können.
Wir freuen uns, wenn ihr euch an diesen Diskussionen beteiligen wollt. Schreibt uns!
Leserbrief zu Falter 22/24, Seite 35: Das Yoga Problem
Danke für die Anregung der Diskussion, was Yoga zu praktizieren im globalisierten Kontext bedeuten kann. Als österreichischer Berufsverband der Yogalehrenden (yoga.at) sehen wir uns in der Verantwortung, Yoga in seinen vielen Facetten, in seiner historischen Entwicklung und in seiner Bedeutung als Schnittstelle zur Gesellschaft zu reflektieren.
Dazu gehört z. B. auch, Yoga für sozial schwächere oder nicht so fitte Menschen anzubieten. Wir haben auch Fortbildungen für Yoga bei MS oder für Demenzbetroffene. Yoga kann Menschen lebenslang begleiten, ist eben viel mehr als Asana, wird im Idealfall zu einer Lebenseinstellung.
Zum Thema Yoga-Philosophie im Unterricht möchte ich anmerken, dass wir vierjährige Ausbildungen anbieten, die Schüler befähigen sollen, Philosophie bzw. Ethik alltagstauglich in den Unterricht zu integrieren. Es ist natürlich nicht sinnvoll, Teilnehmern „philosophische Schriften in Sanskrit vor den Bug zu knallen“, da hat Frau Pross völlig Recht. Aber trotzdem sollte man wissen, was da eigentlich geübt wird, nämlich eine meditative Praxis, die auch der Persönlichkeitsentwicklung förderlich ist.
Das ist eben die Kunst des Unterrichtens: Philosophie in kleinen Dosen zu vermitteln, schwebend zwischen konkreten Anatomieansagen, Atempraxis und spiritueller Begleitung.
Schnell mal für 75 Minuten einzuchecken ist nicht das Problem, mit der nötigen Konsequenz wird Yoga früher oder später zu einer Grundlage für wichtige Lebensentscheidungen. Wer dranbleibt, interessiert sich irgendwann dafür. Die Auseinandersetzung mit den Yama und Niyama-Prinzipien aus dem Yoga-Sutra ist dabei hilfreich. Und dann sollte der/die Lehrende gute Antworten haben.
Bezugnehmend auf das Thema Kolonialismus, das in dem Artikel angesprochen wird, möchte ich auf unser Online-Seminar „Yoga kritisch denken“ hinweisen, das im Herbst stattfinden wird.
Alexandra Eichenauer-Knoll
Mitglied im Vorstand von Yoga Austria-BYO