Yoga Austria – BYO wurde vom Österreichischen Betriebsport Verband ÖBSV eingeladen, am 25. Juni 2022 in Wien eine Veranstaltung zu moderieren. Wir wollten im Vorfeld wissen, mit welchen Anliegen der ÖBSV an die Öffentlichkeit geht. Nora Gresch und Alexandra Eichenauer-Knoll befragten daher den ÖBSV-Generalsekretär Florian Ram.
Im ÖBSV-Vorstand sitzen neben einem Sozialmediziner führende Persönlichkeiten von AK, WKO und SV, der ÖBSV hat Beiräte für gender equality, Nachhaltigkeit und Digitalisierung und ist über 9 Landesverbände Richtung Basis verwurzelt. Über ein Franchisesystem bauen Sie zusätzlich ein Netz von Erstberater:innen für Betriebe auf. Wir spüren einen breiten Konsens und einen starken Willen, Sport wirklich in die Betriebe zu bringen. Warum ist das so wichtig?
Ram: Grundsätzlich ist es so, dass wir weniger den Sport als die Bewegung im Alltag und damit auch im Arbeitsalltag in Szene setzen möchten. Was es in Österreich braucht ist ein Verständnis dafür, dass uns Bewegung guttut und dass diese nicht unbedingt viel mit Sport zu tun haben muss. Natürliche Bewegungsformen wie gehen, Stiegen steigen, laufen oder auch Streck- und Lockerungsübungen sind tief in uns verwurzelt. Und dafür braucht man keinen Marathon laufen, Berge bezwingen oder ein Rennrad besitzen. Achtet man auf die allgemeine Bewegung, auch im Arbeitsalltag, dann führt das zu gesünderen Mitmenschen, fitten Unternehmen und ganz zum Schluss auch zu einem leistungsstarken Wirtschaftsstandort Österreich.
Was verstehen Sie darunter, das Thema „wirtschaftlich und sozial zugänglich“ zu machen?
Firmenfitness und/ oder Betriebssport ist ein Thema, das lange verstaubt in der Ecke gestanden ist. Unsere Aufgabe als ÖBSV ist es, die Thematik „Bewegung rund um den Arbeitsplatz“ wieder neu aufleben zu lassen und so zugänglich zu machen. Dazu braucht es lebensweltnahe und zielgruppenorientierte Angebote für Firmen und deren Belegschaften. Niemandem bringt der Fußballverein etwas, wenn die Kolleg:innen Probleme mit Ausdauersport haben. Wir schaffen einen Rahmen, der sich auf die Möglichkeiten im Betrieb konzentriert und erarbeiten für jedes Unternehmen ein maßgeschneidertes Angebot, das möglichst viele Lösungen bietet.
Ist in Coronazeiten das Bewusstsein für Sport gestiegen? Die Begeisterung für Zoom-Workouts könnte das ja nahelegen bzw. hat das Thema Home-Office daran etwas geändert?
Definitiv! Das Home-Office und die Lockdowns haben das Bewusstsein für Gesundheit noch einmal in den Vordergrund gerückt. Viele Menschen haben unter den Folgen von Kurzarbeit, geschlossenen Freizeiteinrichtungen, der Umstellung ihres geregelten Alltags und selbstverständlich auch an der Furcht vor der Krankheit gelitten. Ich denke, dass die Nachwirkungen der Pandemie noch lange andauern und Sport & Bewegung einiges gegen langfristige CoV-Folgen bewirken können. Sozial, aber auch gesundheitlich.
Welche wesentlichen Trends zeichnen sich derzeit im Firmensport ab?
Zurzeit sind es vor allem Teamevents, die großen Anklang im Firmensport finden. Kurze und knackige Sportveranstaltungen wie Eisschwimmen, Padel oder auch Yoga sind sehr beliebt und werden vor allem zur „Afterwork-Hour“ in Anspruch genommen. Der Punkt an der Sache ist, dass der Trend in Richtung Spaß, Teambuilding und Kreativität geht. Auch ein gewisser Coolnessfaktor darf nicht außer Acht gelassen werden. Was allerdings deutlich in den Hintergrund rückt sind Faktoren wie gewinnen bzw. verlieren. Die Leute wollen sich nicht mehr messen, sondern eine gute Zeit miteinander verbringen. Dazu wird auch nicht mehr jeder Cent umgedreht, sondern gerne auch einmal der eine oder andere Euro mehr investiert. Der Fokus auf Employer Branding durch Firmenaktivitäten wird immer spürbarer.
Wie sind Sie auf Yoga gekommen oder warum gerade jetzt? Wofür ist Yoga Ihrer Meinung nach besonders förderlich?
Yoga ist in vielen Unternehmen beliebt und eine willkommene Alternative zu Sportkursen wie „Rückenfit“. Entschleunigung, Atmung und Entspannung gehören für Firmensportler:innen genauso zum Arbeitsprozess wie Leistung und Projektumsetzung. Viele Yogaübungen lassen sich gut in den Arbeitsalltag integrieren und dienen der Regeneration in stressigen Phasen.
Warum könnte es auch für Yogalehrende interessant sein, die Veranstaltungen zu besuchen?
Networking! Der ÖBSV ist ein Bindeglied zwischen Sport & Wirtschaft. Es gibt viele Unternehmen, die dauerhaft Bewegung in den Arbeitsalltag bringen möchten. Das kann der Betriebssport Verband nicht leisten und das ist auch nicht unsere Aufgabe. Wir präsentieren Bewegungsformen, Sportarten, tätigen Beratungsleistungen und setzen uns auch für sportpolitische Anliegen ein. Was wir möchten ist, dass sich Sport und Wirtschaft im Bewegungsfeld selbst treffen und beide Seiten zeigen können, was für Benefits sie haben. So treffen also Yogalehrende auf Firmensportler:innen und vernetzen sich über Yoga. Wir sehen hier viele Synergien.
Sie selbst sind Sportsoziologe. Kann Firmensport etwas verändern? Oder was kann Sport leisten, um eine Gesellschaft als Kollektiv resilienter zu machen?
Firmensport verändert auf gesundheitlicher, sozialer und wirtschaftlicher Ebene. Und ja, Firmensport kann die Gesellschaft verändern. Ich würde hier sogar ein wenig weitergehen als Sie. Resilienz bedeutet, dass ein Subjekt einer Belastung standhalten kann. Das Subjekt hält zum Beispiel dem Stress stand und verändert sich nicht. Ich glaube Firmensport wirkt auf sportlicher, aber auch auf der Ebene von Geist und Seele wie ein Training. Das heißt: das Subjekt kann nicht nur standhalten und resilient werden, sondern wird sogar stärker und kann mit dem Pensum an Stress immer leichter umgehen, wächst also über sich hinaus. Und das gilt dann nicht nur für ein einzelnes Subjekt, sondern auch für die gesamte Gesellschaft.
Die Verantwortlichkeit von Betrieben für die Gesundheit der Mitarbeiter:innen ist bislang nicht so stark in der Öffentlichkeit diskutiert. Was ist das Anliegen diesbezüglich vom Betriebssportverband und wie setzt er das Anliegen um?
Firmensport ist immer noch eine Nische, die allerdings noch viel Spielraum bietet. Der ÖBSV ist vor allem dafür verantwortlich bestehende Angebote zu evaluieren, umzusetzen und auch vor den Vorhang zu holen. So haben wir erst am 17.05.2022 den FirmenFitness Award an österreichische Betriebe verliehen und so ihre Arbeit im Bereich Firmensport geehrt. Hier ist der Diskurs sehr unterschiedlich: Einmal sind es die Mitarbeiter:innen, die sich unbedingt mehr bewegen möchten, es gibt aber auch Unternehmensführungen, die sehr deutlich zeigen, dass die Chefetage Vorbild sein und Betriebssport umsetzen muss. Die Ansichten und Meinungen sind sehr vielfältig und wir sind bei weitem auch noch nicht fertig damit Bewegung rund um den Arbeitsplatz umzusetzen. Wir schaffen dafür sehr engagiert das richtige Bühnenbild und das bereitet uns an unserer Arbeit auch so viel Freude.
Was ist Ihre Einschätzung für den Yoga im Betriebssport?
Yoga ist ein ganzheitliches Konzept, das in all seinen Facetten viele Möglichkeiten für Betriebssport bietet. Was diese Bewegungsform oft noch tun muss ist, die Effizienzen für Firmenfitness in den Vordergrund zu rücken und sich dem Setting Arbeitswelt und deren Anforderungen zu öffnen. Kurze, knackige und alltagstaugliche Übungen, die anpassbar sind – das brauchen Mitarbeiter:innen & Arbeitgeber:innen. Die Realität ist nämlich, dass während der Arbeitszeit auch gearbeitet werden muss. Yoga soll den Prozess des Arbeitens unterstützen und nicht aufhalten. Keine Firma kann es sich leisten ihre MitarbeiterInnen 5h+ in der Woche zum Sport zu schicken. Aber sobald sich Yoga und Arbeit vereinbaren lassen, sehe ich zukünftig sehr viel Potenzial in Weiter- und Ausbildungen vieler Firmensportler:innen zu Yogalehrenden, die die Idee des Yoga und die Idee eines modernen Firmensports in die Firmen tragen.