Wenn Yogis auf Reisen gehen
Unser Mitglied Florian Fladerer berichtet vom ersten „Satellitenkongress“ der EYU mit dem Thema „Parinama-Transformation“, der vom 26.4. bis 1.5. in Catania stattgefunden hat! Es ist ein ganz besonderer Reisebericht, der lohnt gelesen zu werden. Danke auch für die schönen Fotos! Alexandra Eichenauer-Knoll stellte ihm die Fragen.
Lieber Florian, was hat dich bewogen, den Kongress zu besuchen?
Florian Fladerer: Es war wohl Catania, die Stadt unterm Ätna – ich wollte in die Gegend schon seit langem – und so war die Kombination mit einem Yoga-Kongress der Magnet. Der Termin in der Nachosterwoche und der 1. Mai als letzter Tag erforderten nur einen Tag unbezahlten Urlaubs als Universitätssport-Lehrer. „Parinama“ als Rahmenthema, das Sanskritwort (unter anderem in den Yoga-Sutren) bedeutet neben Transformation, Veränderung, Verstoffwechselung und anderen Bezeichnungen ja auch Evolution. Ich gestehe allerdings, dass mir das vor dem Studium der Tagungsbroschüre nicht geläufig war. Das umfangreiche Programmheft in durchaus akademischer Qualität – Anna Lena Burtscher hat es mir beim Mitgliedertreffen in Wien ein paar Wochen vorher in die Hand gegeben – hat mich dann voll zur Anmeldung bewogen.
… es ist doch eine weite Reise …
Weit wäre die Reise mit der Bahn oder auf der Straße gewesen. Es gibt mehrmals täglich Flüge von Wien, auch sehr günstige. Eigentlich liebe ich Bahnfahren, allerdings meide ich mittlerweile Nachtzüge bzw. Schlafwagen aufgrund der verkeimten Klimaanlagen. Der Anflug, über den Ätna zur linken Seite und dahinter das weiße Catania am Ionischen Meer, das bietet wohl nur der Blick eines hoch fliegenden Vogels und unterstützt schon eine Veränderung des Bewusstseins.
Erzähl uns, wie war der Kongress? Du wirkst sehr begeistert.
Ich hab mir drei Tage Einfindung vor dem Kongress gegönnt. Sonst hätte ich vom sizilianischen Frühling wegen des dichten Programms kaum was mitbekommen. Zum Beispiel bei einem spontan unternommenen halbtägigen Ausflug auf den Ätna – die ganze Region steht ja eigentlich auf Vulkan. Ohne „parinama“ auf physikalischer, makrokosmischer Ebene gäbe er hier gar kein Land. Oben auf über 2900m gehe ich über Schneefelder, unten treiben wilde Olivenpflanzen aus der schwarzen Lava.
Ich habe an vielen internationalen wissenschaftlichen Tagungen teilgenommen, bereits als Student und meist auch als Referent. In der Regel geht es da forscherisch, also Interessens-, Prozess- und Ergebnis-orientiert zu, und meist auch herzlich und in der Regel auch nicht geschäftemacherisch. Das habe ich irgendwie auch beim Kongress der Federazione Mediterranea erwartet. So war er dann auch. Es gab bis zu drei Parallel-Veranstaltungen, also ein sehr dichtes Programm. Angewandte „Yoga-Tradition“, also Quellen- oder Philosophiebezug, Körperpraxis und Spiritualität haben sich – zumindest in meiner Auswahl – optimal durchdrungen.
Rein inhaltlich bin ich mir mit der Transformations-orientierten Grundkomponente in der Tradition, v.a. den Yoga-Sutren, und der alltäglichen Praxis klar geworden, besonders auch, wie ich ihre Aspekte in meinen Unterricht konkret einbauen kann. Dazu haben besonders die drei Swamis Ashokananda, Nityamuktananda und Krishnapremananda entscheidend beigetragen. Ashokananda, Nachfolger des „Woodstock-Gurus“ Satchidananda, gibt unglaublich gute Vorträge über die off-the-mat anwendbare Essenz des Yoga, wie auch Asanastunden mit toller Hüftöffnungs-Sequenz und über die „Spiritualität des Hathayoga“. Danke an Swami Nitya für ihre exzellenten Vedanta- und transformation lectures und Krishnapremananda für seine großartige lächelnde und herzerweiternde Präsenz: „Relax into your natural spaciousness – it is your birthright”. Von den „weltlichen“ Referenten erwähne ich sehr gerne den Turiner Indologen Gianni Pellegrini – er erarbeitete eine ins Detail gehende Präsentation über den Begriff und Kontext von Parinama v.a. in den Yoga-Sutren.
Die Musikdarbietungen an drei Abenden waren auch großartig, die regional bekannte, hochtalentierte Harfistin Ginevra Gilli unterhielt meisterhaft mit Liedern von Irland bis Sizilien, und veranlasste professionell das Yogi-Auditorium das Halleluja in Leonard Cohens Opus interaktiv zu chanten. Großartig auch die beiden „Blasmusiker“ Lorenzo Aristodemo und Ilaria Montenegro, die als Pranayama Orchestra den ganzen Raum in ein erdiges und durchrichtendes Schwingen versetzten.
Ich bin schwer beeindruckt von Wanda Vannis regionalem Organisationseinsatz – bravissima direttrice! Das von der mediterranen Yogafederazion regelmäßig genutzte Seminar-Hotel Nettuno überzeugte u.a. mit professionell freundlichem Personal, mit der bekannt gemüsereich gesunden, hervorragenden sizilianischen Küche und parkettierten Zimmern mit imposanter Toilettraumausstattung. Leider war der Swimmingpool noch nicht freigegeben und es fehlten Liegen für die Frühlingssonne.
Würdest du deinen Kolleginnen empfehlen, beim nächsten Kongress teilzunehmen?
Ja, unbedingt. Ich habe es auch schon kommuniziert. Da ich ja vor allem im universitären oder wissenschaftlichen Umfeld unterrichte, und hier auch meine Haupt-Kollegenschaft arbeitet, sollten wir schon bezüglich der historischen, der philosophischen und zeitgeschichtlichen Aspekte, ebenso wie der naturwissenschaftlichen Aspekte des Yoga kommunikationsfähig bleiben. Ein entsprechend systematisch forschend Praktizierender wird vermutlich wohl weniger „yoga injuries“ oder gar „yoga damage“ zum Opfer fallen, als jemand, der unkritisch Yoga-Techniken kopiert oder nachmacht. Das Zusammensitzen – z. B. beim gemeinsamen Essen – mit erfahrenen LehrerInnen unterschiedlicher individueller Schulen oder Stile kann nur erweiternd oder ergänzend wirken.
Wir sind als BYO Teil des euopäischen Yogaverbandes EYU. Wird dieser europäische Aspekt auf so einem Kongress erlebbar?
Haha! Wir sollten die latente Fähigkeit entwickeln im Gewahrsein zu verweilen, ohne zu denken, weder europäisch, orientalisch, folkloristisch indisch oder sonst wie. Frei-sein von jedweden mentalen Konstrukten – den Prozess von nirodha parinama fördern (Anmerkung: Yoga-Sutren 3.9-10). Auf äußerer medialer Ebene halte ich es schon eher für wichtig, die multiethnische europäische Identität auch im Yoga zu thematisieren. Europa hat andere zeitgeschichtliche Zugänge als z. B. die USA. Ich vermute mal, dass in Europa eine größere Portion Skepsis gegenüber Massengeist, Kommerzialisierung und Wettbewerbsdenken vorliegt.
Im Angesicht der fruchtbaren oder von der Stadt überbauten Lavafelder und der fluktuierenden gesellschaftlichen Entwicklungen lohnt es natürlich, hinter den Jahren und ephemeren Formen das zeitlose Selbst (ekagrata parinama) zu entdecken. Auf getrennt individueller Ebene gilt für mich: Arrivederci Catania e Congresso della FMY!
Dr. Florian Fladerer (Narayan) – Yogalehrender BYO/EYU, Universitätssportinstruktor und Referent des Postgraduate Centers der Universität Wien, nebenberuflich freier Mitarbeiter am Institut für Paläontologie der Universität Wien und am Institut für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA) der Akademie der Wissenschaften.
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